Laudatio zur Ausstellung Artefakte „Kunst trifft Archäologie“ in der Burg zu Bederkesa am 22.07.2019

von Izabella Taraszczuk

Zwischen dem Geheimnis und Freiheitsprinzip. Die Malerei von Hildegatd Böhler

„Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle.“

Albert Einstein

Taucht man in die Welt von Hildegard Böhler ein, so tritt man eine Reise inmitten des stets pulsierenden Mikrokosmos an. Er besteht aus unzähligen Leinwand- oder Kartonbildern, die die Zuschauer sofort ansprechen. Liegt es an den außer-gewöhnlichen Farbkonstellationen oder an den Botschaften,  die der Intuition, Kreativität und Ästhetik so nahe stehen? Während ihrer Schaffensphasen verliert sie das Zeitgefühl.

Es ist ein meditatives Malen, sagt die im niedersächsischen Bokel lebende Künstlerin und lässt ihre unikaten Leinwandkompositionen wie in einem Trance-Zustand entstehen. Es ist eine Frage der Stimmung, welche Farbwahl bei jedem einzelnen Gemälde getroffen wird. Helle Töne, leuchtendes Gelb, intensives Rot, warmes mediterranes Orange, ein ins Braune übergehendes Olivengrün. Frau Böhler überlagert manchmal viele Farbschichten, teilweise sind es bis zu  zwanzig, auf einer Leinwand, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden ist. Die künstlerische Präzision trifft die Spontaneität, die Gedanken und die aus ihnen geborenen Geschichten, bleiben nicht immer verborgen. Einer einzigen Farbe wird jedoch die größte Bedeutung beigemessen. Dem Indigoblau. Es ist die Lieblingsfarbe der Malerin und entspricht in der buddhistischen und hinduistischen Lehre dem 6. Chakra, also dem Energiezentrum im menschlichen Körper, das für Intuition, übersinnliche Rezeption, der Realität sowie für das Visualisieren steht. Das sechste Chakra ist das dritte Auge, die ostasiatische Ajna. Aus all diesen philosophischen Elementen ergibt sich ein optisches Faszinosum, dem wir, die Betrachtenden begegnen. Ich bin sehr visuell und haptisch veranlagt. Ich muss etwas anfassen, gibt Frau Böhler zu. Ein Blick auf sie reicht, dem Satz zuzustimmen.

Ihre Werke spiegeln  Lebensaffinität und Vorliebe zum Individuellen wider. In der Tat ist jedes Werk  das Credo der Künstlerin, und jedes Werk ist eine chiffrierte Botschaft. Mit ihren Ölgemälden und Aquarellen, seien es Abstraktion oder Gegenständliches, erhalten die Betrachter  eine Einladung zu einem Selbstgespräch und zur Kontemplation.

Die Thematik der Bilder ist breit gefasst. Es sind metaphysische Reflexionen zur Provenienz unseres Universums. So ruft die Künstlerin auf der Leinwand einen neuen Planeten ins Leben: er erscheint über den anderen Gestirnen im Wellenschaum des himmlischen Ozeans. Der Planet wirft Fragen nach dem philosophischen Absoluten auf, dem vollkommenen Sein, auf das wir alle vielleicht Bezug nehmen möchten. Es sind Menschen, die aus unterschiedlichsten Kulturen kommen und ihre Heimat verlassen mussten. Die Menschen, die sich Frieden und Freiheit sehnlichst wünschen. So verewigt Hildegard Böhler in aussagekräftigen Porträts Afrikaner, indem sie ihre eritreische Vergangenheit mit der deutschen Gegenwart auf eine warmfarbige Malebene bringt. Wie eine Familienschatulle verbirgt die Leinwand Geschichten der Flüchtlinge. Die Storys, die es verdienen, erzählt zu werden.

Es sind letztendlich Kreativität, Spaß am Tun und Glaube, die bei der aufgeschlossenen Globetrotterin zu einer Einheit verschmelzen. Die Malerin schildert in mehreren Szenen auf einmal das Bild des gekreuzigten Messias. Der völlig modern, fast digital konzipierte Christus wartet auf seine Erlösung und scheint auf die Wiederholbarkeit der Passionsgeschichte hinzudeuten. Dieses Interesse am Christentum und anderen Konfessionen kommt bei Frau Böhler auch in ihrer anderen Leidenschaft zum Ausdruck. Seit Jahren sammelt sie nämlich die Gottesmutterfiguren und umgibt sich zu Hause von zahlreichen Buddha-Statuen. Wäre diese tolerante Auffassung vieler Religionen nicht einer der Wege zum Weltfrieden?

Die Mutter von 4 Kindern, Modedesignerin, Personalberaterin, NLP-Master und Licht- und Energieheileriln bewundert die Genies wie Leonardo da Vinci und Michelangelo. Inspirativ wirken auf sie auch die Persönlichkeit und Werke von Frida Kahlo.

 In den Jahren 2004-2014 lebte Hildegard Böhler mit ihrem Mann in Berlin, wo sie eines Tages einen Fahrradunfall hatte. Durch einen Oberschenkelhalsbruch blieb sie in ihrer Wohnung festgenagelt. Damals begann sie, in der dritten Etage ohne Fahrstuhl, die Welt der Malerei neu zu erkunden. Sie hatte während ihres Mode-Design Studiums gelernt, wie Figurinen und Aktbilder gezeichnet werden, doch den Zugang zu farbigen Leinwandbildern, sowie viele Maltechniken hatte sie sich autodidaktisch angeeignet. Kleine Acrylfarbentübchen, die schon schnell nicht mehr reichten, wichen immer opulenteren Malflächen. Selbst vor Schrankwänden war kein Halt mehr. Seit dieser Zeit ist die Kunst ihre Lebensbegleiterin geworden. Die Malerin präsentiert ihre Werke auf Vernissagen, engagiert sich für die Flüchtlingsarbeit und arbeitet mit Schriftstellern auf Autorentreffen zusammen.

Was verraten die Gemälde der freiheitsliebenden und kosmopolitisch denkenden Frau?

Vielleicht regen sie uns zu einer Weltentdeckungsreise an. Aber bevor dies passiert ist, können wir das Geheimnisvolle und Verwunschene in uns selbst erleben.

Izabela Taraszczuk (19. Mai 2019)

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